Einst war der kleine Braunwasserfluss Hamme die Hauptverkehrsader der Torfbauern durch das Moorgebiet. Die Siedler jagten Enten, Gänse und Fisch auf und in ihr. Ob sie auch durch die moorigen Ufersäume wateten und in ihr schwammen? Wahrscheinlich gab es für derlei Vergnügung damals wenig Zeit. Heute ist der Fluss ein beliebtes Ausflugsziel für Besucher, Wassersportler und Badende.
Pioniere im Moor
Moorkommissar Jürgen Christian Findorff (1720-1792) trieb im 18. Jahrhundert die systematische Besiedelung des Ödlandes unweit von Bremen voran. Mit preußischer Effizienz ließ er im Teufelsmoor Gräben anlegen und das nasse Land entwässern. Er übergab Siedlern freies Land, das diese mühsam urbar machten. Sie stachen die Moorerde ab, ließen die braunen Torfstücke trocknen und verschifften das billige Brennmaterial mit Kähnen nach Bremen. Einigen brachte dieser Handel gutes Geld, und auch die Zwischenhändler verdienten am Torf. Doch nur wenig von dem Geld kam zurück ins Moor. Die Moorbauern und ihre Familien starben in manchen Jahren wie die Fliegen. „Den Ersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Drütten sien Brod» - so fassten die Moorbauern das Leben der Generationen im Moor zusammen. Die Winter waren kalt und nass, die Sommer kamen spät und unbeständig. Der Wasserpegel der Hamme war noch von der Tide der Nordsee abhängig. Bei hohem Wasserstand und starken Regenfällen brachte die Hamme manche Sommerflut, die das Heu mit sich nahm. In den folgenden Wintern hungerten Vieh und Menschen.
Erste Ausflügler entdecken die Hamme
Im 19. Jahrhundert entdeckten die Künstler das weite Land. Es war die Zeit der Romantik, des „Zurück-zur-Natur" - und damit kamen auch die ersten Ausflügler ins Moor. „Er wird uns nach Worpswede fahren", schrieb einst Hermann Löns von seiner Hammefahrt aus dem Torfschiffer-Hafen Osterholz-Scharmbeck in Richtung Worpswede. Und weiter:
„Im kleinen Hafen ist lautes Leben. Ein Dutzend nackte Jungen kauern da im Sande und plätschern in dem braunen, lauwarmen Wasser. So glatt und gesund sehen die braungebrannten Glieder aus, im Sonnenlicht, goldbraun sich abhebend von der dunklen Flut, die sie zerteilen." (Löns, Hermann: Im Torfschiff. In: Halenbeck, Lüder (Hg.): Eine Fahrt nach dem Weiher-berge. Bremen, 1983. 4-10.)
Neben der Torfkahngaststube Tietjens Hütte, zwischen Worpswede und Osterholz-Scharmbeck gelegen, baute der Ruder-Verein Osterholz-Scharmbeck 1920 sein Bootshaus an der Hamme. Der Segel-Club Hamme wurde 1925 gegründet. Er installierte 1926 einen Anleger bei Neu-Kamerun (heute Melchers Hütte) sowie ein Bootshaus unweit von Tietiens Hütte.
Viele Bilder dieser Zeit zeigen kleine Jollen und Ruderboote statt der dunklen Torfkähne. Der Wassersport blieb bis zum Zweiten Weltkrieg beliebt.
In den Kriegsjahren wurde er weitgehend eingestellt. Die kindlichen Badefreuden in der Hamme werden allerdings auch während der Kriegsjahre angehalten haben.
Der erste Hammestrand
Am Worpsweder Hammehafen auf der ehemaligen Schafsweide bei Neu-Helgoland wurde nach Kriegsende wieder häufiger geschwommen und auch gezeltet. Es entstand der 'Campingplatz Worpsweder Hammestrand'. 1958 wurde ein Worpsweder Strand an der jetzigen Stelle neben der Gastwirtschaft Neu Helgoland von der Stiftung Worpswede als Badestrand angelegt. Die Gelder dafür stammten aus der Tombola „Bremen hilft Worpswede", die vom 4. Juni bis zum 30. Juli 1955 stattfand. Viele Worpsweder sind mit dem beliebten Sommervergnügen im Hammebad aufgewachsen.
Die Kinder fuhren mit dem Rad, mit der Tante und mit Kirschen an die Hamme. Sie stiegen in das braune Wasser, völlig unbeeindruckt von dem knietiefen „Modder" auf dem Grund. Sie beschmissen sich gegenseitig mit dem Matsch oder versuchten mit offenen Augen durch das dunkle, fast undurchsichtige Wasser zu tauchen. Wer der Freikörperkultur nahestand, fuhr hinaus zur Beeke, badete nackt zwischen Schilf, während die Kinder
die dicken Teichmuscheln mit den Füßen im Untergrund suchten. In so manchem Album der Worpsweder kleben noch Fotografien verschlammter Kinder oder Künstler aus diesen Sommern.
Baden auf eigene Gefahr
Mit dem Einzug der Moderne kam die Zeit der Verunreinigung sowie der Befestigung des Flusses. Die Hamme wurde zum Kanal umfunktioniert.
Damit die Wellenbewegungen der Motorboote die Ufer nicht aushöhlten und dadurch Sande beständig verfrachtet würden, überschüttete man die Ufersäume mit scharfkantigen Granitsteinen. Mit zunehmender Verschmutzung hatten das Wasser der Hamme sowie das der flachen Beeke und anderer zufließender Gräben fortan schwer zu tragen: Ungeklärte Abwässer und große Düngeeinträge ließen Hecht und Teichmuschel verenden.
An den Wehren lagen hohe Schaumkronen und bald standen überall Schilder mit der Aufschrift „Seuchengefahr" - das Baden in der Hamme war nicht mehr empfehlenswert. Auch an der Worpsweder Hammebucht stand in solches Schild. Das Areal wurde langfristig von der Gemeinde in einen Campingplatz umgewandelt und verpachtet, der Zugang zum Wasser wurde durch ein Eisentor verhindert. Erst als das Bewusstsein der Behörden und der Bewohner für den Erhalt des Naturraumes einsetzte und Wasserschutzmaßnahmen nach Jahrzehnten der Verunreinigung und Zerstörung griffen, wurde die Hamme wieder zum Baden freigegeben.
Bürgerinitiative Hammestrand
Im Jahr 2005 gründete sich die Bürgerinitiative Hammestrand e.V. Sie forderte den freien Zugang zum Baden an der Hamme. Weil es bislang nur eine zwei Meter breite Treppe für Kanufahrer neben der Brücke gab, war der Zugang zum Fluss an dieser Stelle nur für Schwimmer nutzbar - Kleinkinder, Nichtschwimmer oder Ungeübte konnten nicht in die Hamme. Deswegen startete die Bürgerinitiative eine Unterschriftenaktion, die von vielen Menschen getragen und unterstützt wurde. Mit über 900 Unterschriften, die der Gemeinde Worpswede übergeben wurden, dokumentierten sie ihren Wunsch nach einem neuen
Hammestrandbad.
Die Gemeinde ging zunächst nur zögerlich auf die Anfrage ein. Erst im Zuge der Erschließung des Ufers für touristische Zwecke wurde auch Sand für einen kleinen Strand aufgeschüttet. Nun konnten auch Kinder wieder an der alten Badestelle ins Wasser springen. Zwar war der Zugang mit 12 Metern Breite zunächst sehr klein, aber weil immer mehr Menschen zum Baden kamen, wurde der Druck auf die Gemeinde so groß, dass sie nach sieben Badesommern die ganze Bucht freigab.
Ein Traum wurde wahr
Bis heute wird das Strandbad an der Hamme gerne und viel genutzt. In der Mitte des Platzes hat die Initiative einen großen wabenförmigen Tisch mit Bänken aufgestellt. Hier sitzen alte und junge Besucher: Camper, Kanufahrer und Worpsweder kommen beim Picknick miteinander ins Gespräch.
Neben einer begehbaren Holzschnecke, die als Umkleidekabine funktioniert, gibt es einen Spieleschrank, aus dem sich Kinder Spielsachen (Bälle, Eimer und Schaufeln) ausleihen können. Halbrunde Bänke mit Platz für vier bis sechs Personen verführen zum Blick über das Badetreiben. Seit 2014 findet am Hammestrand jedes Jahr ein Familien-Triathlon statt, der mit einer Schwimmstaffel beginnt.
Immer noch trifft sich die Bürgerinitiative regelmäßig: Sie reinigt den Strand, füllt den Sand auf und pflegt die installierten Holzmöbel. Und Sie setzt sich weiterhin für den Erhalt des Naturbades ein, der als Kleinod für die Einheimischen Worpsweder sowie für Besucher von Rummel und Kommerz freigehalten werden soll: „Die Worpsweder lieben ihren Hammestrand", stellt die Initiative zufrieden fest. „Das Dorf ist als Künstlerdorf hauptsächlich auf Besucher ausgerichtet. Am Strand haben die Dorfbewohner dafür die Möglichkeit, sich mit anderen Familien zu treffen, ohne Eintritt zahlen zu müssen. Größere Kinder machen sich mit dem Fahrrad auf den Weg, um andere Kinder zum Spielen und Baden zu treffen. Dies ist ein hohes Gut für Familien in einer Zeit, in der die Bevölkerung immer älter wird. Nebenbei lernen die Badenden den Fluss mit seiner Tier- und Pflanzenwelt kennen. So soll es bleiben."
Text und Bilder stammen aus dem Beitrag von Verena Rademaker-Wolff und Hans Jordan zu dem Jubiläumsband des Heimatvereins Worpswede aus 2018, 800 Jahre Worpswede, ISBN: 978-3-7308-1468-0